Man bereitet sich sorgfältig vor. Man überlegt ob die Auswahl der Textstellen wohl richtig sei, man hoffentlich nicht gerade an diesem Tag einen Kloß im Hals hat und kein Schmutzfleck auf der Garderobe an unpassender Stelle zu unmotivierten Heiterkeitsausbrüchen führt. Mit liebevollen Worten ersucht man den Ehemann doch wenigstens an diesem Tag auf die heiß geliebte Jeans zu verzichten, versteckt sein Lieblingsleiberl um ihm zu beweisen, dass der Kleiderschrank doch noch mehr zu bieten hat und versucht ihn von der Eleganz der zur Garderobe passenden Schuhwerk zu überzeugen. Man übersieht gefliessentlich sein mürrisches Gesicht, macht keine abfälligen Bemerkungen weil der Wagen wieder einmal nur mehr einen feuchten Fleck als Treibstoff aufweist und man, trotzdem der Uhrzeiger unbarmherzig weiterläuft, noch zur Tankstelle muss.
Man kommt pünktlich zum vereinbarten Treffpunkt, versucht die Enttäuschung zu überspielen, dass statt der angekündigten 25 Personen nur drei missmutig blickende Damen da sind, blickt auf die Uhr und konstatiert dass man doch fünf Minuten zu früh dran ist.
Man freut sich, dass die Vorsitzende doch noch kommt und uns überschwänglich begrüßt. Man wird in ein Extrazimmer geleitet und versucht die plärrende Musikbox zu überhören. Die wird während des Vortrages abgestellt vernimmt man und freut sich darüber, dass schön langsam doch noch ein paar Zuhörer eintrudeln.
Nachdem eine der Damen mir gleich bei der Begrüßung mitteilt dass sie hoffe dass die Lesung nicht allzu lang dauere, da sie es eilige habe, blicke ich auf die Uhr. Die Lesung sollte um 19:30 Uhr stattfinden – es ist bereits 20:00 Uhr, doch es sind immerhin ungefähr 12 Leute erschienen.
20:15 – Die Vorsitzende begrüßt die Anwesenden und stellt mich vor. Super, na dann los.
Ich will anfangen, lass es jedoch bleiben, weil in diesem Moment der Kellner kommt und nach den Getränkewünschen fragt. Man diskutiert lautstark ob der angebotene Wein genießbar oder man doch eher einen Saft trinken solle, entscheidet letztendlich und der Kellner schwirrt kopfschüttelnd ab.
Meine zaghaft erhobene Stimme wird unterbrochen, denn eine Dame meldet sich zu Wort, ob sie der Runde etwas erzählen dürfe, was ihr natürlich gestattet wird. Sie berichtet von dem tragischen Schicksal ihrer venezuelanischen Putzfrau die im Spital ist und deren Mann sich ein Bein gebrochen hat und damit kein Geld verdienen kann. Super. Ich sitze da, schaue auf die Uhr, bemerke die Dame die es eilig hat und wundere mich über die Bereitwilligkeit der Anwesenden ins Geldbörsel zu greifen und den einen oder anderen 5 Euro Schein in das herumgereichte Nylonsackerl zu werfen. Dass ich mir so meine Gedanken machte, als eine der Damen die Vorsitzende ersuchte ihre Limo zu zahlen, wenn sie jetzt 2 Euro spende, kann man sich ja vorstellen.
20:25 - ich beginne mich vorzustellen, komme zu jener Stelle meines Vortrags wo ich mit der Erklärung der Geschichte beginne, es geht die Tür auf, 2 weitere Vereinsmitglieder kommen, diskutieren ob der Treffpunkt nicht um 19:30, sondern um 20:30 vereinbart worden wäre und in Zukunft nicht überhaupt verlegt werden könne.
20:35 - ich habe den Faden verloren, setzte irgendwo ein, aber es scheint eh keiner zu bemerken. "Also, meine Geschichte beginnt im Jahr 1936" beginne ich - es kommt der Kellner, erklärt in canarisch lauter Manier, dass es keinen Maracujasaft gäbe und man geht die ganze Getränkeliste rauf und runter um sich zu entscheiden. Agua sin gas ist das billigste, aber bitte ohne Eiswürferl, und zimmerwarm.
Irgendwann erzähle ich weiter, natürlich unterbrochen vom Kellner der das stille Wasser bringt und jemanden erklärt dass der angebotene Toast frischer Natur sei. Okay - ich habe vergessen zu erzählen dass die Musik abgeschaltet wurde, was mich natürlich erfreut hat.
Ich lese also ein paar Passagen, frage mich, ob die Dame welche die Augen geschlossen hat wohl schläft oder mir so andächtig zuhört, höre halt irgendwann auf, weil es mir schlichtweg keinen Spaß macht und ich das Gefühl habe im falschen Film zu sitzen.
Die anschließenden Fragen sind grandios. "Kommen in Ihrem Buch mehr als die beiden Personen vor?" "In dieser Zeit war Krieg - haben Sie die politschen Szenarien auch einfließen lassen?" "Woher haben Sie diesen phantastischen Hosenanzug?"
Nach meiner bisher gemachten Erfahrung ist so eine Autorenlesung eine wunderschöne Angelegenheit. Die Menschen kommen, setzen sich hin und lauschen aufmerksam der Erzählung. Man kann an ihren Gesichtern das Mitleben der Geschichte ablesen, findet Trauer oder Amüsement in ihren Augen und ein Schmunzeln auf den Lippen wenn das Kapitel doch noch ein gutes Ende findet.
Es war aber trotzdem ein wunderschöner Abend, weil ich mich an einen Leseabend mit Otto Schenk im Wiener Konzerthaus erinnerte. In unvergleichlicher Art und Weise erzählte er von einer Aufführung in einem Kellertheater, wo der Hauptdarsteller vor einem grandiosen Publikum auftrat – eine Dame mit ihren zwei Afghanen die gelangweilt auf ihren Plätzen in der erste Reihe saßen und knurrende Geräusche von sich gaben wenn die Schauspieler zu laut sprachen.
Damit verglichen gings mir doch richtig gut und worüber könnte ich denn meinen Enkerln einmal erzählen wenn ich nicht auch solche Abende erlebt hätte meint
Eure Wienerin
Irene-Christine Graf
Irene-Christine Graf
aber die dame im ringelpulli erinnerte mich an die von dir beschriebene dame mit der wenigen zeit.
Die war im Februar guck mal hier
http://www.forumteneriffa.de/tenerif...renlesung.html
Gaviota war auch da
Und wenn ich bei unserem derzeitigen Umzugs-Vorbereitungs-"Streß" endlich mal ein wenig Ruhe finde, dann werde ich es mir auf unserer Terrasse gemütlich machen und das Buch der Wienerin lesen.
Lg, Gaviota
Hallo liebe Wienerin,
es ist mir ein Bedürfnis schlucks einfach runter und knuddeldichganzherzlich.
Sonnige Grüsse von La Palma
Liza
Manchmal ist es notwendig Niederlagen zu erleben um Erfolge wirklich genießen zu können. Deine Grüße waren so ein Erfolg und ich danke Dir sehr herzlich dafür.
Liebe Grüße aus Puerto
Die Wienerin
Irene-Christine Graf
leider nicht möglich dir eine mail zu schicken...
wie geht es euch..
ganz liebe grüsse
Meine E-mail-Adresse ist noch immer irene-christine@web.de
Liebe Grüße
Die Wienerin