Ich habe zwar nie begriffen warum die eine Hand schöner als die andere sein soll, das Knickserl im Lauf der Jahre abgelegt, die gesellschaftlichen Richtlinien ansonsten jedoch eingehalten und auch an meinen Sohn, verbunden mit dem nach wie vor in der Wiener Gesellschaft gültigen „Küss die Hand“, weitergegeben.
Nun lebe ich seit fast sieben Jahren hier auf dieser zauberhaften Insel, mein spanischer Wortschatz hält sich leider noch immer in Grenzen und damit auch das Lernenswerte über canarische Sitten und Gebräuche. Also habe ich auch, einer Einladung meiner canarischen Nachbarin Folge leistend, einen wunderschönen Strauss Blumen gekauft und trotz der Sprachschwierigkeiten einen zauberhaften Abend verbracht. Tags darauf wanderte ich zur Post um ein Brieflein mit dem „Dankeschön“ auf den Weg zu schicken.
So weit so gut. Dass ich, mit den Blumen in der Hand, vollkommen daneben gelegen bin, erklärte mir eine Freundin erst später, denn mit Selbstgebackenen wäre ich richtiger gelegen, aber dass man einen Brief nicht einfach der Post anvertrauen darf erfuhr ich erst ungefähr 4 Wochen danach. Das war nämlich der Zeitpunkt als meine Zeilen mit dem Vermerk „DESCONOCIDO“ (unbekannt) wieder in meinem, und zwar jenem Briefkasten, der exakt neben dem meiner Nachbarin hängt, landeten.
Aber auch Geburtstagswünsche aus meiner Heimat, Kontoauszüge von meiner Bank und Hinterlegungsanzeigen von Packerln mit Wiener Kostbarkeiten gelangen dafür in Briefkästen, deren Besitzer sich nur selten in Teneriffa aufhalten.
In Wien gibt es das Sprichwort „wer gut schmiert, fährt gut“. Also habe ich mich bei der für unsere Urbanisation zuständigen cartera persönlich vorgestellt, sie mit selbstgemachten Süßigkeiten und kleinen Geschenken so weit gebracht, dass sie weiss, dass hier die extranjera aus Wien wohnt. Mit umwerfenden Erfolg. Wenn sie nicht, gezwungen durch Krankheit, Urlaub oder Unwohlsein gar nicht kommt, so bringt sie mir jetzt fast regelmäßig alle Postsendungen die für mich bestimmt sind und auch jene, von denen sie nicht weiß wohin sie gehören könnten.
Doch alles hat Vor- und Nachteile. Zwar ärgere ich mich nach wie vor, wenn die Glasurmasse für die allseits beliebten Punschkrapferl, leicht ramponiert, mit wochenlanger Verspätung, auf meinem Küchentisch landet und das, von meinem Mann heißersehnte steirische Gselchte bereits den Weg alles Vergänglichen beschritten hat, aber so lernt man auch seine Nachbarn besser kennen. Der interne Postaustausch endet zwischenzeitlich nicht selten bei Kaffee und Kuchen oder gemeinsamen Ausflügen in die nächste Tapas-Bar, wo man sich dann genüsslich über die Tücken des Insellebens auslassen kann.
Haben Sie übrigens schon einmal das zauberhafte Stück „Love Letters“ von A.R. Gurney im Theater gesehen? Hier geht es um eine 15 Jahre dauernde schriftliche Auseinandersetzung zweier Menschen die sich seit frühester Jugend kennen und in ihren Briefen die Situationen ihres bewegten Lebens schildern. Auf den canarischen Inseln hätte dieses Bühnenstück nie entstehen können
meint Ihre Wienerin
Irene-Christine Graf
Irene-Christine Graf
So schlecht find ich die Post gar nicht, so einmal die Woche und wenns regnet gar nicht,so bleibt man einem auch vieles Unangenehmes erspart