Neu auf dem Markt - ein Bildungsroman in deftiger Sprache

Einklappen

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
X

Neu auf dem Markt - ein Bildungsroman in deftiger Sprache

Einklappen
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Schriftgröße
    #1

    Neu auf dem Markt - ein Bildungsroman in deftiger Sprache

    Aus Gesundheitsgründen lebt der ehemalige SP-Gemeinderat Hans König auf der Insel Teneriffa und hat es aufgrund seiner Studien zu José Viera y Clavijo zur Aufnahme in die Junta del Gobierno der Real Sociedad Económica de los Amigos del País de Tenerife gebracht. Zwanzig Jahre lang hatte er noch in seiner Zeit in Wien Quellen studiert, Materialien zusammen getragen und daraus ein beeindruckendes Panorama Wiens aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entworfen.
    Das Werk kann ohneweiters in das literarische Genre des klassischen Bildungsromans gereiht werden. Die - mitunter deftige - Sprache vermittelt Zeitkolorit und lehnt deutlich an Grimmelshausens "Simplicissimus" an. Sie vermittelt einerseits Authentizität, wie ja auch die akribisch recherchierten Quellen. Den Autor reitet aber auch hin und wieder der Schalk, und so werden Zitate der österreichischen Kultur eingebaut, wo sie durch ihren Anachronismus das Genre des rein historischen Romans aufbrechen. So ist auch die Behauptung, einen Roman über die Leopoldstadt geschrieben zu haben eine starke Untertreibung, denn das topographische Umfeld wird nichts weniger als in Beziehung zu Europa und seiner Geschichte gesetzt. Der Bildungsroman entwickelt hier einen Doppelsinn, denn der Leser wird in einem Ausmaß über seine Wurzeln in der Stadt informiert, wie er es sich wohl niemals hätte träumen lassen. "Ich wollt' ich wäre wirklich ein Wiener (im guten Sinne des Wortes) - etwa wie es mein Vater ist, der in allen diesen Dingen Bescheid weiss, jedes Gebäude und seine Geschichte kennt [...].", seufzte Heimito von Doderer als junger Mann in sein Tagebuch. Nun, wer ähnlich denkt, dem diene dieses ansprechende und - trotz aller Realismen einer grausamen Zeit - unterhaltsam geschriebene Buch als Instrument, seine Unwissenheit über ein wesentliches Kapitel Stadtgeschichte zu beheben.


    "Aarons Ring" von Hans König
    Der Roman schildert den Werdegang eines Kindes einer heimlichen Beziehung zwischen einem geächteten Ghettobewohner und einer aufgeweckten Wienerin vor dem Hintergrund der Judenverfolgung von 1668 und der Türkenbelagerung von 1683.
    Mit vielen seiner Glaubensgenossen wurde auch Aaron Fränckl am 23. April 1668 im Ghetto bestialisch getötet, nachdem ein Brand in der Hofburg den Juden angelastet wurde. Die lebensfrohe Barbara wurde nach der Geburt des kleinen Josef in die Ehe mit dem verwitweten Fischkäufel Johann Luckham gezwungen. Ein im Haus wohnender "persischer Doctor" entwickelt sich nicht nur zur Lichtgestalt für Barbara, sondern auch für den kleinen Josef, den zu legitimieren Luckham sich weigert. Zur Lichtgestalt in pekuniärer Hinsicht gestaltet sich auch der leibliche jüdische Großvater, der während des Pogroms, in dem sein Sohn getötet wurde, die Flucht nach Nikolsburg gelungen war. Nach dem wohlverdienten Ende des angetrauten Abschaums wird Barbara Luckam die Frau des persischen Arztes und Hausgenossen Bonaventura Nurveli Schahin, der Josef in die Welt der orientalischen Sprachen einführt und schließlich mit ihm eine abenteuerliche Reise nach Konstantinopel unternimmt. Josef lernt auch andere Kundschafter wie Diodato oder Kolschitzky kennen und bewährt sich aufgrund seiner Sprachkenntnisse und Intelligenz selbst in schwierigsten Situationen. Dass Schahin die Mächtigen der Hohen Pforte mit Opium versorgt, ist nur ein Nebenaspekt. Nach der Rückkehr gerät Josef bei Anrücken des Osmanischen Heeres in die Welt der Soldaten, sichert zunächst sein Überleben als Rossknecht und wird Augenzeuge der Belagerung Wiens. Durch eine todesmutige Aktion rettet er Prinz Eugen und wird zum Vertrauten und Sekretär des aufstrebenden Heerführers.

    Hans König, "Aarons Ring. Des Prinzen Rossknecht." Verlag Echo Media (www.echo.at), Wien 2008, 631 Seiten, Euro 19,80, ISBN 978-3-901761-99-7

    Quelle
    Die Wienerin
    Irene-Christine Graf

  • Schriftgröße
    #2
    Der Autor Hans König ist mir zuerst im TEIDE.TV aufgefallen. Er hatte dort eine Sendereihe mit Führungen durch Puerto de la Cruz.
    Sein euphorischer Erzählstil, mit Geschichten von und über diese Stadt, deren Einwohner und Straßenzüge, fesselte mich so sehr, dass ich in Puerto auf die Suche nach seinem Buch ging.
    Entweder ich war in den falschen Geschäften, oder das Buch war ausverkauft. Es hat leider keine ISBN Nummer und im allwissenden Netz hatte ich keine Bezugsmöglichkeit gefunden. Dort wo selbst google nicht weiter wusste, unsere „Wienerin“ hatte die Lösung. Ihr hab ich es zu verdanken, dass ich heute im Besitz einer Ausgabe bin. Dafür dir liebe Irene nochmals herzlichen Dank. Geschichtsbücher lese ich ja eigentlich nicht von Anfang bis zum Ende, ich studiert Kapitel, die mich interessieren, und lege sie dann wieder beiseite. Nicht so dieses Werk! Ich las irgendein Kapitel in der Mitte des Buches, und war vom Fachwissen des Autors einerseits und wie er es versteht, trockenen Geschichtsstoff so aufzubereiten, dass er sich spannend und mitreißend liest, andererseits, so fasziniert, dass ich innerhalb einer Nacht bis zum Ende durchgelesen hatte. In der Zwischenzeit habe ich es bereits drei mal komplett gelesen. Es enthält so viele Details dieses Stadt, - es wird einfach nicht langweilig.

    Nun stellte Irene sein neuestes Buch "Aarons Ring" hier im Forum vor. Obwohl ich zuerst sehr skeptisch war. Hab ich doch keinerlei Bezug zur Stadt Wien und deren Geschichte und ein Buch mit 630 Seiten ist mir ein Graus. Aber alleine wegen der lehrreichen Stunden mit seinem Buch „Puerto de la Cruz – Geschichte und Geschichten“, war ich es dem Autor Hans König „schuldig“ ein Exemplar seines neuesten Werkes abzukaufen. Und Irenes Rezension tat natürlich ein Übriges.

    Die Weihnachtsfeiertage waren mit Lesestoff gesichert.

    Bevor man dieses Buch aufschlägt, fällt einem als Erstes das etwas karg ausgefallene Cover auf. Ein schönes Cover macht den Leser schon im Buchladen neugierig, erregt Aufmerksamkeit und verleitet so zum Kauf. Das vom Verlag gewünschte einheitliche Erscheinungsbild der „Wien live edition“ ließ hier allerdings keine andere Wahl..

    Der Roman zieht den Leser von Anfang an in seine Bann. In diesem offensichtlich sehr gut recherchierten und liebevollen Roman erfährt man besonders viel über das Leben, Denken und Handeln im späten 17. Jahrhundert. Hans König, ein Wiener Autor, Urgestein seiner Heimatstadt, haucht den Charakteren Leben ein. Er lässt vergessen, dass gelesen wird. Du hast schnell das Gefühl, die Geschichte entsteht direkt in Deinem Kopf mit Bauch und Herz und der Seele. Es werden mit außerordentlichem Einfühlungsvermögen sowohl die Judenvertreibung aus Wien geschildert, als auch sehr detailliert Einzelheiten und Gräuel im Leben des Protagonisten Josef, eingebettet in eine spannungsreiche Liebesgeschichte. Es geht um Spionage, Opiumhandel und die Geschichte des Wiener Kaffeehauses und um die Belagerung Wiens durch die Türken. Der Roman schildert einen der prägnantesten und nachhaltigsten Augenblicke der Wiener Stadtgeschichte. Ein Augenblick ohne den Europa heute möglicherweise verschleiert und vermummt wäre. Ein fesselnder, historischer Roman, der gleichzeitig kurzweiligen Geschichtsunterricht darstellt.

    Anschließend saß ich noch stundenlang und googelte die Geschichte der Türkenkriege um Wien. Eine Geschichtsepoche, die zu meiner Zeit im deutschen Geschichtsunterricht nicht gelehrt wurde.

    Als Nichtwiener hatte ich zu Beginn etwas Probleme mit den lokalen Ausdrücken. Aber dank eines ausführlichen Glossars, in Form eines Wörterbuches, hat man zusätzlich die Möglichkeit eine neue „Fremdsprache“ zu studieren.

    Sehr empfehlenswert für Geschichtsinteressierte.
    Zuletzt geändert von Guenther; 18.01.2009, 23:13.
    .



    http://portfolio.fotocommunity.de/gm1

    Kommentar

    Lädt...
    X