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    #41
    Der kluge Richter

    Daß nicht alles so uneben sei, was im Morgenlande geschieht, das haben wir schon einmal gehört. Auch folgende Begebenheit soll sich daselbst zugetragen haben. Ein reicher Mann hatte eine beträchtliche Geldsumme, welche in ein Tuch eingenähet war, aus Unvorsichtigkeit verloren. Er machte daher seinen Verlust bekannt und bot, wie man zu tun pflegt, dem ehrlichen Finder eine Belohnung, und zwar von hundert Talern an. Da kam bald ein guter und ehrlicher Mann dahergegangen. ?Dein Geld habe ich gefunden. Dies wird's wohl sein! So nimm dein Eigentum zurück!? So sprach er mit dem heitern Blick eines ehrlichen Mannes und eines guten Gewissens, und das war schön. Der andere machte auch ein fröhliches Gesicht, aber nur, weil er sein verloren geschätztes Geld wieder hatte. Denn wie es um seine Ehrlichkeit aussah, das wird sich bald zeigen. Er zählte das Geld und dachte unterdessen geschwinde nach, wie er den treuen Finder um seine versprochene Belohnung bringen könnte. ?Guter Freund?, sprach er hierauf, ?es waren eigentlich 800 Taler in dem Tuch eingenäht. Ich finde aber nur noch 700 Taler. Ihr werdet also wohl eine Naht aufgetrennt und Eure 100 Taler Belohnung schon herausgenommen haben. Da habt Ihr wohl daran getan. Ich danke Euch.? Das war nicht schön. Aber wir sind auch noch nicht am Ende. Ehrlich währt am längsten, und Unrecht schlägt seinen eigenen Herrn. Der ehrliche Finder, dem es weniger um die 100 Taler als um seine unbescholtene Rechtschaffenheit zu tun war, versicherte, daß er das Päcklein so gefunden habe, wie er es bringe, und es so bringe, wie er's gefunden habe. Am Ende kamen sie vor den Richter. Beide bestanden auch hier noch auf ihrer Behauptung, der eine, daß 800 Taler seien eingenäht gewesen, der. andere, daß er von dem Gefundenen nichts genommen und das Päcklein nicht versehrt habe. Da war guter Rat teuer. Aber der kluge Richter, der die Ehrlichkeit des einen und die schlechte Gesinnung des andern zum voraus zu kennen schien, griff die Sache so an: er ließ sich von beiden über das, was sie aussagten, eine feste und feierliche Versicherung geben und tat hierauf folgenden Ausspruch: ?Demnach, und wenn der eine von euch 800 Taler verloren, der andere aber nur ein Päcklein mit 700 Talern gefunden hat, so kann auch das Geld des letztern nicht das nämliche sein, auf welches der erstere ein Recht hat. Du, ehrlicher Freund, nimmst also das Geld, welches du gefunden hast, wieder zurück und behältst es in guter Verwahrung, bis der kommt, welcher nur 700 Taler verloren hat. Und dir da weiß ich keinen andern Rat, als du geduldest dich, bis derjenige sich meldet, der deine 800 Taler findet.? So sprach der Richter, und dabei blieb es.

    Aus Johann Peter Hebel "Kalendergeschichten"

    Liebe Grüße Tarajal
    Jedes Ding hat drei Seiten: Eine die du siehst, eine die ich sehe, eine die wir beide nicht sehen.

    Chinesische Weisheit

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      #42
      Wie man Spätfolgen vermeidet

      Ein junger Mann und ein älterer Herr sitzen während einer längeren Zugfahrt gemeinsam in einem Abteil. Der junge Mann fragt den älteren Herren: "Entschuldigung, können Sie mir bitte sagen, wie spät es ist?" Doch der ältere Herr, der schon eine ganze Weile aus dem Fenster schaut, reagiert nicht. So wiederholt der junge Mann seine Frage etwas lauter. Doch der ältere Herr starrt immer noch ungerührt aus dem Fenster auf die vorbei fliegende Landschaft. Auch beim dritten Versuch des jungen Mannes bleibt sein Gegenüber stumm und so zogen sich die Stunden der gesamten Reisezeit ohne ein weiteres Wort dahin.
      Doch zum Ende der langen Fahrt und kurz vor dem Erreichen des Zielbahnhofs wendet sich der ältere Herr plötzlich dem jungen Mann zu und sagt: "Es ist jetzt halb acht." Völlig verdutzt schaut der ihn an und sagt: "Danke, aber weshalb haben Sie mir nicht schon vorhin geantwortet, als ich Sie gefragt hatte?"
      "Sehen Sie", beginnt der ältere Herr, "hätte ich Ihnen bereits vorhin Auskunft gegeben, hätten Sie sich bedankt und eine nette Bemerkung über meine hübsche Uhr gemacht. Sie hätten mich gefragt, woher ich solch ein wertvolles Stück habe und ich hätte Ihnen erzählt, dass ich ein erfolgreicher Geschäftsmann bin. Ich hätte Ihnen von meinem Beruf, meiner Familie und meiner Heimatstadt erzählt, und Sie hätten gesagt, das Sie noch nie zuvor hier waren und auch niemanden in der Stadt kennen. Und weil wir uns so nett unterhalten haben und Sie keine Bleibe für den heutigen Abend haben, hätte ich Sie zum Abendessen bei mir zu Hause eingeladen und Sie hätten meine Frau und meine Tochter kennen gelernt. Und weil meine Tochter sehr hübsch ist, hätten Sie sich in Sie verliebt und schon bald um ihre Hand angehalten. Und da stellt sich doch für mich die Frage: Warum sollte ich Ihnen meine Tochter anvertrauen und dieser Hochzeit zustimmen, wenn ich doch jetzt schon weiß, dass sich mein künftiger Schwiegersohn nicht mal eine Uhr leisten kann ..."



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        #43
        Über das Glück

        Ein Geschäftsmann kam zum Meister und wollte von ihm wissen, was das Geheimnis eines erfolgreichen Lebens sei.

        Sagte der Meister: "Mach jeden Tag einen Menschen glücklich!"

        Und er fügte nach einer Weile hinzu: "... selbst wenn dieser Mensch du selbst bist."

        Und noch ein wenig später sagte er: "Vor allem, wenn dieser Mensch du
        selbst bist."


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          #44
          Lob der Wirklichkeit

          In Purpur, die Krone auf dem Haupt, mit Apfel und Zepter in der Hand, schritt die Majestät die Stufen der Treppe hinab. Am Fuße der Treppe jubelte die unüberschaubare Menge, in Erwartung seiner Majestät. Da trat er unvorsichtigerweise auf einen Zipfel des Hermelins und fühlte, dass er sogleich ... wer weiß wie viele Stufen hinab ... stürzen würde ...
          In diesem Augenblick erwachte er und merkte, dass ihm nur ein Bein aus dem Bett gefallen war und sich in dem Zipfel der Decke verwickelt hatte. Er setzte sich, beide Füße auf dem Boden - besser gesagt auf dem Bettvorleger - und atmete auf.
          So hart, wie man sie träumt, ist die Wirklichkeit eigentlich nie.

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            #45
            Die Frau am Fluss

            Zwei Mönche waren unterwegs von einem Kloster zu einem anderen. Nach einiger Zeit kamen sie zu einem Fluss. Dort begegneten sie einer jungen Frau, die wie sie an das andere Ufer gelangen musste. Die junge Frau zögerte jedoch, das Wasser zu betreten, denn sie trug ein sehr schönes Kleid und wollte nicht, dass es nass wurde.
            Da sagte der eine Mönch zu ihr: "Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen helfen, über den Fluss zu kommen." Sie war angenehm überrascht und nahm das Angebot an. Da nahm der Mönch die junge Frau in die Arme, trug sie über den Fluss und stellte sie am anderen Ufer wieder ab. Sie bedankte sich, und die beiden Mönche setzten ihren Weg fort.
            Nach einem langen Marsch in Schweigen, als sie fast im Kloster angekommen waren, sagte der eine Mönch zum anderen: "Du hast die Frau über den Fluss getragen, aber du weißt doch, dass wir als Mönche das Gelübde abgelegt haben, nie eine Frau zu berühren."
            Da antwortete der andere Mönch: "Ich habe die Frau nur über den Fluss getragen, trägst du sie etwa immer noch."

            Viele Menschen sind wie dieser Mönch. Sie tragen Dinge mit sich herum über Vergangenes und Zukünftiges und ihr Kopf wird schwer ...


            Zuletzt geändert von kubde; 11.03.2017, 16:14.

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              #46
              Für Menschen, die glauben man müsse alles wissen, bevor man beginnen kann

              Ein Mann fand eines Tages ein Stück einer Landkarte und hatte allen Grund anzunehmen, dass es sich um eine Schatzkarte handelte. Er wollte unbedingt den verborgenen Schatz finden und suchte in den nächsten Wochen und Monaten unermüdlich nach den restlichen Teilen der Karte. Vergeblich. Da kam ihm eines Tages die Idee, er könnte doch den Hinweisen, auf dem einen Stück der Karte, erst einmal folgen. Und siehe da: Dort fand er das nächste Kartenstück, wieder mit einem Hinweis darauf. Und so folgte er immer der Information, die er bereits zur Verfügung hatte und stieß schließlich auf den lange ersehnten Schatz. Und es mag ja nicht einmal so wichtig sein zu wissen, dass der Schatz sich die ganze Zeit auf seinem Grundstück befunden hatte. Wichtiger ist vermutlich das, was der Mann daraus gelernt hatte. Nämlich, dass man nicht immer die ganze Landkarte braucht, um los zu marschieren.


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                #47
                Der Pinselstrich

                Der englische Maler Thornhill hatte den Auftrag bekommen, das Innere der Kuppel in der Londoner St.-Pauls-Kathedrale auszugestalten. Nach Monaten, die mit viel Arbeit ausgefüllt waren, hatte er einen Teil seines Auftrages erfüllt. Ein Abschnitt war fertig gestellt. Nun ging er - so wird erzählt - auf dem Gerüst rückwärts, um seine Malerei aus der Entfernung zu betrachten. Während sein Blick fest auf die Kuppel gerichtet war, trat er bis an den Rand des Gerüsts, ohne es zu merken. Nur noch ein Schritt weiter, und er wäre aus der Höhe auf den Steinboden der Kathedrale gestürzt. Einer seiner Helfer erkannte die Gefahr. Kurz entschlossen ergriff er einen Pinsel und zog einen breiten Strich über das Gemälde. Zornig eilte Thornhill auf ihn zu. Aber seine Wut schlug schnell in Dankbarkeit um, als ihm der andere erklärte: "Meister, das war der einzige Weg, ihr Leben zu retten. Sie waren an den Rand des Gerüsts getreten, ohne es zu wissen. Hätte ich gerufen, hätten sie sich wohl umgedreht und wären abgestürzt. Ich konnte sie nur bewahren, indem ich ihr Gemälde verdarb."

                Verfasser unbekannt


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